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Im Herzen jung geblieben

Graffiti-Workshop im Altersheim Sophienheim in Siegen

Vorwort

"Wenn ich das meinen Enkeln und Urenkeln zeige, denken die, die Oma ist jetzt komplett verrückt geworden" - Beim Graffiti-Workshop im Altersheim Sophienheim wurden im hohen Alter neue Talente entdeckt und in Teamarbeit das Altersheim ein Stück durch seine Bewohnerinnen und Bewohner aktiv mitgestaltet. 

Bastelgruppen und Liederkreise gehören bei vielen Altersheimen zum festen Repertoire und gelten als gerne angenommene Abwechslung. Rituale und eine feste Struktur im Alltag sind für alte Menschen wichtig, ebenso wichtig sind aber auch neue Erfahrungen und Herausforderungen, an denen es leider oft mangelt. Die Konsequenz sind Verunsicherung bei neuen Herausforderungen und ein eingeschränktes Selbstvertrauen. Noch einmal richtig aufblühen nach einem Sturz oder einem Schicksalsschlag bleibt dann für viele Urgesteine ein ungelebter Traum. 

Im Sophienheim in Siegen hatte man großes Interesse daran, seinen Bewohnerinnen und Bewohnern mit einem Graffiti-Workshop aktiv an der Gestaltung des Heims zu beteiligen und ihr Leben um eine neue Erfahrung zu bereichern. Der Wunsch war ausdrücklich ein modernes Bild, in Form von einem Graffiti-Schriftzug, in Teamarbeit auf die Wand zu bringen.

Im Einführungsworkshop wurde schnell deutlich, dass die Bewohnerinnen und Bewohner ganz unterschiedliche Zugänge zu Graffiti haben. Von ersten Erfahrungen in den 80er Jahren bis hin zu "ich hab das noch nie gemacht" konnten die Voraussetzungen kaum unterschiedlicher sein. Durchaus interessiert, aufnahmefähig und mit weniger Vorurteilen als erwartet, erfuhren die junggebliebenen Dynamischen mehr über die Entwicklung von Graffiti, die unterschiedlichen Stile und konnten schließlich ihr neu erworbenes Wissen bezüglich dem Buchstabenaufbau in Form von Skizzen auf Papier umsetzen - Mit höchster Konzentration wurden die Blockbuchstaben zum Biegen gebracht.

Nachdem man erst mal reingekommen war, ging es an die Besprechung des Gemeinschaftsprojekts. Im Lichthof des Altersheims sollte es endlich einen Lichtblick geben. Der dunkle und unansehnliche Hof sollte zu einem optischen Highlight verwandelt werden - gerne groß, modern und auffällig. Nach Sichtung von einigem Bildmaterial entschied man sich in demokratischer Abstimmung für einen simplen Graffiti-Schriftzug mit abgerundeten Buchstaben, fröhliche Farben und einige Schlagworte, die um das Bild angeordnet werden sollten. Zudem sollten unbedingt Blumen in das Motiv eingebunden werden. Nach einem gemeinsamen Mittagessen in der Gruppe ging die Rollator-Rallye in den Hof, wo mit Sprühdose die ersten Erfahrungen gesammelt oder alte Erfahrungen aufgefrischt wurden. Mit den Sprühübungen konnten die anfänglichen Unsicherheiten größtenteils beseitigt und das Selbstvertrauen gestärkt werden.

Am zweiten Workshoptag ging es dann an die Wandgestaltung. Nachdem alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit ihren Gehhilfen im Hof versammelt und mit Masken und Handschuhen ausgestattet waren, ging es an die Motivwahl. Vier Skizzen hatte ich zur Auswahl vorbereitet. Schnell verstand man sich auf eine Skizze mit abgerundeten Buchstaben, die voneinander abgetrennt waren - es sollte für alle gut lesbar sein. Im Hintergrund wurden mit unterschiedlichen Brauntönen die Backsteine Stück für Stück herausgearbeitet. Im oberen Bildbereich war vornehmlich ich als ausführende Hand tätig, da sich keiner auf die Leiter wagte. Es folgten der lilafarbene Hintergrund und das Ausmalen der Buchstaben mit einem Farbverlauf, bis ich schließlich mit dem Umrahmen der Buchstaben und dem Ausarbeiten der Risskanten zum letzten Feinschliff ansetzen konnte.

Nach Kaffee und Kuchen bestraunten alle zufrieden das Kunstwerk im Lichthof, an das die "Oldschooler" noch lange zurückdenken werden.